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1988
Ralf Hetzler über Schulschwimmen mit einem Olympioniken in den 70ern
1975 bekamen wir mit Beginn des zweiten Halbjahres in der Klasse 6 Schwimmunterricht. Der Unterricht fand im alten Stadtbad zu Bochum statt. Ich kannte das Schwimmbad schon, bevor ich Schüler am Gymnasium am Ostring wurde, da mein Vater mit mir manchmal freitags spätnachmittags dort zum Schwimmen hinging.
Der Schwimmunterricht lag in der 1. und 2. Stunde und so trafen wir Schüler uns pünktlich um 7.55 Uhr vor dem Nebeneingang des alten Stadtbades in der Arndtstraße und warteten darauf, dass er uns die Tür aufmachte. Wir hatten schon einiges von ihm gehört, doch das Größte war, dass er eine Medaille bei den olympischen Spielen gewonnen hatte.
Dann öffnete sich die Tür und wir sahen Herrn Holthaus zum ersten Mal, einen freundlichen sympathischen Sportlehrer im grünen Trainingsanzug. Wir Jungen folgten ihm durch einen schmalen Gang und er zeigte uns die Umkleidekabine. Die Mädchen waren ihrer Sportlehrerin in einen anderen Gang gefolgt.
Nachdem wir uns umgezogen und abgeduscht hatten, betraten wir durch den großen Duschraum das zweigeteilte Hallenbad. Herr Holthaus wies uns an, auf den gegenüberliegenden großen Blockstufen unterhalb der riesigen Glasfront Platz zu nehmen. Wir waren recht ungeduldig, wollten sofort mit dem Schwimmen beginnen. Doch die Wärme der beheizten Sitzstufen machte uns selbst die lange Einweisung in die zu beachtenden Schwimmregeln durchaus angenehm.
Endlich ging es ins Wasser. Nachdem wir einige Bahnen zum Warmschwimmen absolviert hatten, wurde mir klar, dass es ein langer Weg bis zur Bronzemedaille sein würde, denn die Zeit, die der ehemalige Olympia-Dritte dann für meine 25 Meter Brustschwimmen gestoppt hatte, reichte nicht einmal für den Rekord der unter 13 Jährigen in meinem Ortsteil. Na ja, nur nicht aufgeben, es kamen ja auch noch die anderen Lagen.
Woche für Woche feuerte Herr Holthaus, der dabei zumeist auf den beige gekachelten warmen Sitzstufen saß, uns an, den durchdringenden Ton seiner Trillerpfeife immer gekonnt einsetzend, unser Ziel vor Augen: Die Bronzemedaille im 400-m-Lagen-Schwimmen. So flogen wir als erstes wie Schmetterlinge über das Wasser – dabei nahm ich trotzdem immer gehörige Schlucke Chlorwasser zu mir -, wechselten dann in die Rückenlage, versuchten verlorene Zeiten beim Brustschwimmen und schließlich beim Kraulen wieder rauszuholen – vergeblich. Die Zeiten wurden kaum besser, die Erschöpfung nach diesen Torturen nicht weniger, nur die Vorfreude auf die warmen gekachelten Stufen, wenn wir das Pensum geschafft hatten, wurde jeweils größer und ließ uns durchhalten. Saßen wir erst einmal neben Herrn Holthaus, den ich übrigens nie mit nassen Haaren gesehen habe, auf den warmen Bänken, hatte er es schwer, uns erneut zu motivieren, in das arktisch-kalte Nass zu springen.
So verging Woche für Woche. Trotz intensiven einmal wöchentlichen Schwimmunterrichts und pfeifender Motivation des ehemaligen Olympioniken wurden meine Zeiten für die vier Lagen nicht besser und es dämmerte mir, je näher die Sommerferien kamen, dass es nur ein Traum bleiben würde, einmal eine Bronzemedaille, wie sie Herr Holthaus 1968 im 400-m-Lagen-Schwimmen bei den olympischen Spielen in Mexiko gewonnen hatte, in Händen zu halten.
Er bemerkte die Enttäuschung. Doch er wäre kein guter Pädagoge gewesen, hätte er uns nicht gleich neue Perspektiven unseres sportlichen Strebens eröffnet, indem er uns den Sprungturm freigab. So stieg auch ich hinauf, bis zur höchsten Plattform auf 7,5 Meter. Diese Höhe beeindruckte mich schon, zumal der Blick auf den Beckenboden die Plattform noch höher erscheinen ließ. Beim Blick über das Geländer auf die nach oben blickenden erstaunten Gesichter der unten Gebliebenen wurde mir schon mulmig in der Magengegend. Doch als ein erneutes Trillerpfeifen zu hören und keiner meiner Klassenkameraden mehr vor mir war, wusste ich, dass diese Aufforderung zum Sprung mir galt. Ich trat soweit an das Ende der Plattform heran, bis ich das blauschimmernde Wasser unter meinen Zehen sah und als ich im freien Fall das mir entgegen kommende Wasser erwartete, wurde mir klar, dass eine Medaille an sich nicht das Wichtigste ist, sondern dass man sich selbst etwas zutraut, um ein Ziel zu erreichen. Dafür war ich unserem Sportlehrer Herrn Holthaus damals im alten Stadtbad zu Bochum sehr dankbar!
Der oben stehende Text ist:
Ein Bericht von Herrn Ralf Hetzler über Schulschwimmen mit einem Olympioniken
in den 70ern.